Am 15. November 2013 erschien der Roman ´Der 7281.Tag mit Zuckerguss´.
Dieser Roman erzählt vom Umbruch, vom Blick in den Rückspiegel, vom Abtragen der Krusten und Beläge auf Möbeln, Menschen, Erinnerungen und Landschaften. Er erzählt vom Zufall, der aufweckt und alles ändert.
Es gibt eine Allwetterjoggerin und Schatzhüterin mit Papierkristall, ein Mutter-Tochter-Gespann, einen Einmalsieben-Kleptomanen, einen Festgefrorenen, einen Mann-Mann-Lieber, einen Herzschmerztaucher, Erschöpfte mit schwieligen Händen. Es gibt Mrs Main Coon, eine Stubenfliege, Herrn Feig und keine Frau namens Alma. Es gibt Aufziehmännchen und Männer, die dreizehn Sprachen sprechen.
Vor allem gibt es eingeschobene Geschichten von Weltkriegsmenschen, Dampfschiffflüchtlingen, Olympioniken, Blutsbrüdern und Sommerfrischlern.
Es ist ein Roman über die Kunst, Vergangenheiten zu finden, freizulegen, wiederzubeleben und zu bewahren.
Zitat aus dem Buch (Seite 2):
Ob Möbel, Menschen oder Leben, Liv Nissen mag Verzogenes, Gerissenes, Vernachlässigtes. Sie rennt, redet, rettet, spielt. Sie ist todernst und urkomisch, skurril und liebenswert, wie die Menschen, auf die sie trifft. Sie gleicht einem Perpetuum mobile, das ein Pensum absolviert, plötzlich trudelt, stockt, scheinbar zur Ruhe kommt, doch neu startet.
Der Roman nimmt schnell Geschwindigkeit auf, seine konzentrierte Sprache spiegelt den Inhalt. Dialoge wie Ballwechsel mischen sich mit ruhigen, intensiven Bildern einer Umgebung im Umbruch, Leben im Umbruch. Schlaglichtartig werden Vergangenheiten angestrahlt, treten wenig später in das Kontinuum des Romans zurück.
»Ihr Stil und vor allem der Charakter Ihrer Protagonistin passen wunderbar zusammen – lebendig, wach, wortsprudelnd. (…) Wirklich toll für den Leser ist dann wieder, dass tatsächlich unter die Vergangenheits-Schichten der Möbel geschaut werden darf – sehr spannend.« Droschl Verlag
Die Deckschicht ist gezeichnet. Geknackt. Liv breitet die
Arme aus, spitzt den Fuß und überspringt die Aufwölbungen
und Einbrüche im Straßenbelag.
Ein Bauer steht auf seiner Hofeinfahrt beobachtet sie, grinst,
ruft: »Asphalttänzerin am Morgen vertreibt Kummer und
Sorgen.« Er pumpt Gülle in einen Tankwagen.
Hinter der Scheibe seines Traktors klemmt ein Metallschild
mit der Aufschrift Kipahulu, Maui, Hawaii Wedding State.
»Aloha kakahiaka, Reto. Du beduftest das Land?« Sie läuft
auf der Stelle, hält sich die Nase zu.
»Ich befruchte es, Liv, befruchte.« Er zwinkert mit dem
Auge, deutet auf das Schild. »Vergiss nicht: 617 Kurven bis
Kipahulu …!«
»Und 56 einspurige Brücken. Ich weiß, Reto, ich weiß.«
»Und dein Tagespensum, Liv?«
»Kurven, Kurven, Kurven. Keine Brücke. Berge, Berge,
Berge.«
»Berge? Hügel, du Flachländerin!«
»Ich geh sie erklimmen, du Ureinwohner.«
Der Tank ist voll, die Motorpumpe röhrt leer, überlagert die
Antwort des Mannes. Liv läuft los.
Beidseits der schmalen Landstraße stehen die Kühe in
Reih und Glied. Verdauen. Aus ihren Mäulern, Nüstern und
Hinterteilen dampft es.
An der Kreuzung steht ein Kruzifix mit Dächlein. Liv umrundet
den Jesus. Seine Oberfläche ist stumpf. Tannenzweige
schützen die Bepflanzung unter ihm vor Spätfrösten. Motorsägen
brummen im Wald auf der Anhöhe. Sie biegt nach rechts ab.
Eine Katze verharrt stocksteif auf einem noch kahlen
Feld.
Hinter einer Biegung passiert Liv ein kleines Haus. Die
Holzverschalung ist wettergegerbt. Skelette von Kletterpflanzen
kleben an der Fassade. Ein Pick-up steht vor der Garage.
Das Tor ist offen. Die Farbe hängt wie hauchdünn gehobelte
Schokoladenblätter daran. Liv bremst ab, dreht sich, läuft
einige Schritte mit dem Rücken voran, schaut zurück. Eine
Zinkbadewanne steht im Garten. Sie ist bis zum Überlaufen
mit Wasser gefüllt. Auf ihrem Rand liegt eine Tauchmaske.
Ein breites Plastikband ist am Wasserhahn befestigt, zieht
sich vom Fußende der Wanne um die Obstbäume bis zum
Holzschuppen im Hintergrund. Zwei Schweine durchpflügen
die Grasnarbe nach Fressbarem.
Mitten im Garten steht eine Steinskulptur: Ein alter
Mann sitzt auf einem Stuhl, den Blick in die Ferne gerichtet.
Die Trauerweide dahinter stülpt ihre Zweige wie ein
Kaffeekannenwärmer über ihn.
...
Publiziert in der Edition Lagarto. Ladenpreis CHF 18 (€ 18). Zu beziehen per Direktbestellung bei der Autorin (Vorkasse. Postversand innerhalb weniger Tage), bei der Edition Lagarto (www.edition-lagarto.ch), sowie selbstverständlich über den Buchhandel oder Anbieter wie Amazon.